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KIRSCHESSIGFLIEGE BIRGT HOHES RISIKO FÜR DEUTSCHEN WEINBAU
deutschlandweite Ausbreitung in diesem Jahr befürchtet
Männliche Kirschessigfliege
© Foto: Zoologische Staatssammlung München




„Mit diesem kleinen Monster werden wir noch richtig Schwierigkeiten bekommen“ fasst Dr. Peter Baufeld vom Julius Kühn-Institut (JKI) die Bedrohung zusammen, auf die sich jetzt (nach Kollegen aus südeuropäischen und amerikanischen Regionen) auch deutsche Winzer einstellen müssen.


Dieses „kleine Monster“

● ist 3 mm klein

● wird in der Fachwelt Drosophila suzukii (Kirschessigfliege) genannt

● begegnet in Europa keinen natürlichen Feinden

● kommt mit unserem Klima bestens zurecht

● kann in einem Jahr bis zu fünfzehn (!) Generationen hervorbringen

● erreicht seine höchste Population in den Monaten August / September

● befällt und vernichtet nicht nur Obst (bevorzugt Süßkirschen), sondern auch Weintrauben: Die mit einem Raspelapparat ausgestatteten Weibchen schlitzen gesunde, reifende Beeren auf, sobald sich dort Zucker entwickelt. Sie legen dort ihre Eier ab, nur einen Tag später schlüpfen Larven, die sich dann von dem Fruchtfleisch ernähren, die Beeren faulen.


In Deutschland erstmals nachgewiesen wurde dieser sehr gefährliche Pflanzenschädling vom Fliegenexperten Dieter Doczkal von der Zoologischen Staatssammlung München, der die Kirschessigfliege im Herbst 2011 in der Nähe von Rastatt in Baden-Württemberg fand.

Weitere Funde gelangen dem Pflanzenschutzdienst und dem Julius Kühn Institut (das die ersten Lockfallen bereits 2010 ausbrachte) im Herbst 2011 in Siebeldingen (Pfalz), in Heidelberg sowie in Lindau (Bodensee).

„Die Kirschessigfliege ist sehr mobil und kann sich in einer Region theoretisch innerhalb eines Jahres ausbreiten“ sagt Dieter Doczkal.

Aus eigener Kraft kann sie mehrere Kilometer zurücklegen. Wesentlich größere Strecken überwindet sie, wenn beispielsweise per LKW neben gesundem auch befallenes Obst in eine andere Region transportiert wird. Weshalb Doczkal wie auch andere Wissenschaftler befürchten, dass sich der Schädling in diesem Jahr über ganz Deutschland ausbreiten könnte – selbst wenn ein großer Teil der Schädlinge den Winter nicht überlebt.


Die wirkungsvolle Bekämpfung dieses ernstzunehmenden Schädlings ist noch nicht gelöst. Insektizide würden das Problem nicht lösen, auf Grund der hohen Vermehrungsrate könne es schnell zu Resistenzen kommen, weshalb andere Mittel und Wege gefunden werden müssten. Allerdings: „Forschung dauert Jahre, und diese Zeit haben wir bei der Kirschessigfliege nicht“, gibt Dr. Peter Baufeld zu bedenken.

Winzern, die ihre Weinberge kontrollieren wollen, empfiehlt er das Anbringen von Lockfallen: Hier genügen größere, verschlossene Joghurtbecher, die zur Hälfte mit Apfelessig und einem Schuss Wein gefüllt werden. An einer Seite werden einige Löcher (5 mm Durchmesser) angebracht, die der Kirschessigfliege das Eindringen ermöglichen. Mindestens wöchentlich muss die Lockfalle mit einer Handlupe auf mögliches Vorhandensein von Kirschessigfliegen kontrolliert werden (die Männchen sind an den charakteristischen Punkten auf den Flügeln zu erkennen). Liegt ein Befall vor, sollte sich der Winzer mit der örtlichen Pflanzenschutzbehörde in Verbindung setzen, die dann eine genaue Bestimmung durchführen und weitere Ratschläge erteilen kann.



Männliche Kirschessigfliege mit den charakteristischen Punkten auf den Flügeln
© Foto: Dr. Martin Hauser, California Department of Food and Agriculture



Weitere Informationen
enthält das von einer Expertengruppe zusammen gestellte und auch für Nicht-Experten verständliche Datenblatt, das auf der Webseite des JKI veröffentlicht ist (PDF, 7 Seiten).


Weitere Auskünfte
Dr. Peter Baufeld
Julius Kühn-Institut
Bundesforschungsanstalt für Kulturpflanzen
Stahnsdorfer Damm 81
D-14532 Kleinmachnow
Telefon 033203 - 48-276






eingestellt von: Redaktion Wein-Inside
Datum: 11.02.2012